Japan Diary

Ausstellung, 30/08 – 27/09/2014, Galleria Arte Moderna Albenga, (IT)

Liste der zwischen dem 24. Januar und dem 6.März 2014 von Jürgen Schneider aus Japan an die Galleria Arte Moderna Albenga geschickten Objekte:

Bitt-Täfelchen (Ema), Kameido-Tenjin-Schrein, Tokyo

Bitt-Täfelchen (Ema), Kameido-Tenjin-Schrein, Tokyo.
Bitt-Täfelchen (Ema), Kameido-Tenjin-Schrein, Tokyo.

Der Kameido-Schrein in Tokyo ist Sugawara no Michizane (854-903), dem Beschützer der Gelehrten geweiht. Jedes Jahr am 24. und 25. Januar findet dort das usokae-Ritual statt. Das Wort uso steht ihm Japanischen für Dompfaff und für Lüge. Durch das Austauschen von hölzernen Uso-Vögeln erhofft man sich Gutes für das neue Jahr. Ema sind kleine, einseitig bemalte Holztäfelchen, die man in fast jedem Shinto-Schrein oder buddhistischen Tempel kaufen kann und auf denen Bitten an die Gottheiten geschrieben werden. Die leere Seite wird mit persönlichen Wünschen beschrieben und in der Hoffnung auf genze riyaku, diesweltliche Wohltaten, an einer dafür vorgesehenen Stelle aufgehängt.

Postkarte, Basho-Museum, Tokyo

Postkarte (Vorder- und Rückseite), Basho-Museum, Tokyo
Postkarte (Vorder- und Rückseite), Basho-Museum, Tokyo
Postkarte (Vorder- und Rückseite), Basho-Museum, Tokyo
Postkarte (Vorder- und Rückseite), Basho-Museum, Tokyo

Der aus einer niederen Samurai-Familie stammende Matsuo Kinsaku alias Matsuo Basho (1644-1694) gilt gemeinhin als Meister der Haiku-Dichtung. Dabei hieß diese Dichtung zu Bashos Zeiten »hokku« und das, was wir heute unter Haiku verstehen, so der Japanologe Robert F. Wittkamp, »ist ein Produkt des 20. Jahrhunderts, in dem das Haiku einem Internationalisierungsprozess unterzogen wurde, einem Prozess, dem nach eine Essentialisierung der japanischen Kultur eine Art Ent-Essentialisierung, eine Hybridisierung folgte.«

Postkarten, Grabstätte von Asano und den 47 Samurai, Sengaku-ji-Tempel, Tokyo

1701 zog der Samurai Asano Takuminokami am Hof von Edo wegen fortgesetzer Kränkung das Schwert gegen seinen offiziellen Berater Kira. Da das Ziehen des Schwertes am Hofe strikt verboten war, wurde Asano dazu verurteilt, Seppuku zu begehen – rituelle Selbsttötung. Die Samurai von Asano konnten ihre Ehre nur dadurch wiederherstellen, dass sie Kira töteten. Sie zerstreuten sich zwei Jahre lang in alle Winde, fanden sich dann wieder zusammen, töteten Kira und brachten dessen Kopf ans Grab von Asano. Die 47 Samurai mussten ebenfalls Seppuku begehen. Auf dem Gelände des Sengaku-ji-Tempels befindet sich die Grabstätte von Asano und seinen 47 treuen Samurai.

Verpackung, Curry-Gericht

Nach der Havarie des Atomkraftwerkes von Fukushima im Jahre 2011, Folge des Großen Ostjapanischen Erdbeben und eines Tsunami, bleibt die Frage virulent, welche Nahrungsmittel durch radioaktive Strahlung belastet sind. In einem Entwurf für sein Drama Woyzeck hatte Georg Büchner (1813-1837) die Beschreibung einer postatomaren Landschaft vorweggenommen: » …der Platz ist verflucht. Siehst du den lichten Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachse … Fort, die Erde schwankt unter unsern Sohln … Hörst du das fürchterliche Getös am Himmel? Ueber der Stadt, Alles Gluth!«

Handtuch der Frauenband Nisennenmondai, anlässlich des 15-jährigen

Handtuch der Frauenband Nisennenmondai, anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Band im Ufo Club, Tokyo, an die Besucherinnen und Besucher verteilt.
Handtuch der Frauenband Nisennenmondai, anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Band im Ufo Club, Tokyo, an die Besucherinnen und Besucher verteilt.

Bestehens der Band im Ufo Club, Tokyo, an die Besucherinnen und Besucher verteilt
Die Band Nisennenmondai besteht aus drei Frauen – Himeno Sayaka (Schlagzeug), Zaikawa Yuri (Bass) und Takada Masako (Gitarre) –, deren vorwärtstreibender Sound seine besondere Intensität bei Live-Konzerten entwickelt.

Flyer für ein Konzert von Merzbow, Super Deluxe, Tokyo

Seit er 1979 sein nach Kurt Schwitters Merzbau benanntes Noise-Projekt Merzbow ins Leben rief, hat der neben Keiji Haino und Otomo Yoshihide wichtigste und einflussreichste Vertreter der japanischen Noise-Szene Masami Akita ein umfangreiches Werk in allen erdenklichen Formaten geschaffen – solo und mit namhaften Kollegen, wie etwa Pan Sonic, Mike Patton, Mats Gustafsson, Sonic Youth oder Elliott Sharp.
»Imagine being surrounded in hot, molten electronic/industrial noise … harsh edges giving way to a deep bass deluge of sound. It pours out and into you … This music could be how you feel 3 seconds into a SpaceShuttle lift-off. Surging intense, at the outer limits of control and lack thereof. Merzbow breaks barriers.« (Lightworks Mag #17 / 1985)

Leerer Reissack aus Kyushu

Kyushu liegt weit von Fukushima entfernt, und der Reis aus Kyushu wurde als nicht verstrahlt empfohlen. »›3 kg Reis‹, ja, diese Menge, dieses Gewicht kann ich mir vorstellen, und ich weiß, wie sich ›3 kg Reis‹ anfühlen. Wie abstrakt sind dagegen Sievert und Becquerel!« (Kei Kimura, Brief vom 7. Juni 2011, in: Kei Kimura & Maketa Smith-Groves, Once Upon a Time Es war einmal FUKUSHIMA. – Zirl (Tirol): Edition BAES, 2012, S. 111)

Postkarte mit Zeitungsausschnitt »Why Tokyo is the best city in the world«

Die Bewohner der Riesenmetropole Tokyo in Miniformat

Handschuhe mit dem Aufdruck »Atom«

Handschuhe mit dem Aufdruck »Atom« (Ausstellungsansicht).
Handschuhe mit dem Aufdruck »Atom« (Ausstellungsansicht).

Postkarte, Gohyaku-Rukan-ji-Tempel, Meguro, Tokyo

In diesem Tempel aus dem 17. Jahrhundert, der 1908 nach Meguro verlegt wurde, befinden sich 305 der ursprünglich 536 Holzfiguren, die der Bildhauer Shoun Genkei Zenji in mehr als zehnjährigen Arbeit schuf. Die sehr erhaben wirkenden Figuren stellen Schüler Buddhas dar.

Karten aus dem Museum of Contemporary Art Tokyo zu den Date Paintings des japanischen Konzeptkünstlers On Kawara (1933-2014) mit Datumsstempel des Museums und dem japanischen Namensstempel von Jürgen Schneider.

Karte aus dem Museum of Contemporary Art Tokyo zu den Date Paintings des japanischen Konzeptkünstlers On Kawara (1933-2014) mit Datumsstempel des Museums und dem japanischen Namensstempel von Jürgen Schneider.
Karte aus dem Museum of Contemporary Art Tokyo zu den Date Paintings des japanischen Konzeptkünstlers On Kawara (1933-2014) mit Datumsstempel des Museums und dem japanischen Namensstempel von Jürgen Schneider.

Faltblatt des Mori Art Museums, Roppongi Hills, Tokyo, zur Ausstellung »Andy Warhol: 15 Minutes Eternal« (01.02.-06.05.2014)

Die umfassende Warhol-Ausstellung des im 53. und 54. Stockwerk des Roppongi Hills Mori Towers untergebrachten Mori Art Museums war ein absoluter Publikumsmagnet. Eines der Highlights war der Warhol-Film The Velvet Underground and Nico (1966), der in einem Nachbau der Silver Factory gezeigt wurde.

Nachweis der U-Bahn-Fahrten , die Jürgen Schneider in Tokyo unternommen hat

Drucke von Stilelementen der Katsura Imperial Villa, Kyoto

Die Katsura-Villa aus dem 17. Jahrhundert wurde international vor allem durch den deutschen Bruno Taut bekannt, der sie im Mai 1933 besuchte und als »letzten und zugleich höchsten architektonischen Glanzpunkt Japans« bezeichnete. »Die Anlage von Katsura ist ohne Starrheit und ohne eine strenge Systematik, vielmehr in ihrer asymmetrischen Abstufung ein Beispiel dafür, daß das Leben nicht abgeschlossene Formen benötigt, sondern eher auf die gute Beziehung der Teile untereinander angewiesen ist.« (Manfred Speidel, in: ders. (Hrsg.), Bruno Taut, Japans Kunst mit europäischen Augen gesehen. – Berlin: Gebr. Mann Verlag, 2011, S. 34)
Nach Bruno Taut haben sich die Architekten Walter Gropius, Kenzo Tange und Arata Isozaki mit der Katsura-Villa auseinandergesetzt (vgl. Virginia Ponciroli (Hrsg.), Katsura Imperial Villa. – London & New York: Phaidon Press, 2011).

Verpackungskarton des Schallplattenladens Jetset, Kyoto

Cooler Plattenladen. Adresse: 410-6F Shimomaruya-cho, Kawaramachi-Sanjo, Nakagyo-ku, Kyoto , Japan

Information zum Zen-Tempel Koinzan Saiho-ji oder Koke-dera (Moostempel), Kyoto

Im Garten dieses auf das 8. Jahrhundert zurückgehenden Tempel wachsen mehr als 120 Moosarten. Der Garten gilt als das Werk des Zenpriesters Muso Kokushi, der ab 1339 im Koke-dera-Tempel wirkte und die Gartengestaltung als Teil seiner meditativen Praxis verstand.

Informationsmaterial von der Insel Naoshima

In dem winzigen Hafenstädtchen Honmura auf der im Seto-Binnenmeer gelegenen Insel Naoshima steht das Tadao-Ando-Museum. Das Museum ist in einem für Honmura typischen alten Holzhaus untergebracht. Ando hat dieses Haus entkernen und dünne, leicht geneigt aufragende Betonwände so elegant einstellen lassen, dass die Tragstruktur des alten Hauses besonders deutlich hervorgehoben wird. Das Museum, in dem nur wenige ausgewählte Projekte von Ando ausgestellt sind, ist als Verbeugung des Pritzker-Preisträgers vor der traditionellen Architektur und als Kritik an der japanischen Abrisskultur anzusehen.
Im Rahmen des »Art House Projektes« wurden auf Naoshima mehrere alte Holzhäuser renoviert und Künstlern für permanente Installationen zur Verfügung gestellt. Das »Art House Projekt« ist Benesse Holdings, Inc. und der Fukutake Foundation zu verdanken, die den Süden von Naoshima – im Norden der zweigeteilten Insel befinden sich Produktionsstätten von Mitsubishi – zu einem Ort gestaltet haben, an dem durch die Verbindung von »Kunst, Architektur und Natur« das »gute Sein« erfahrbar gemacht werden soll. Gleichzeitig sollen die kleinen Ortschaften der Insel revitalisiert werden. Das Vorhaben stützt sich vor allem auf die Architektur von Tadao Ando. Von ihm stammen die Entwürfe für das Benesse House, für das gleichnamige Museum, für das Chichu Art Museum sowie für das Lee Ufan Museum.

Prospekt, Toyo Ito Museum, Omishima

Das bescheiden dimensionierte Museum des 1941 geborenen konzeptionellen Architekten Toyo Ito liegt auf einer Anhöhe der Insel Omishima und bietet einen grandiosen Ausblick über das Seto-Binnenmeer; es gliedert sich in zwei Teile. Die schwarze »Stahlhütte« setzt sich aus mehreren Polyedern zusammen, hat das Aussehen eines Schiffsdecks und soll auch ein Schiff symbolisieren, das auf dem Seto-Binnenmeer treibt. In der »Stahlhütte« sind in einheitlichem Weiß gehaltene Modelle der von Ito entworfenen Bauten zu sehen. Im Gegensatz zu dem »geschlossenen« Ausstellungsgebäude ist die »Silberhütte« eine »offene« Struktur, eine Rekonstruktion des Hauses, das Ito 1984 in Tokyo für sich gebaut hatte. Die »Silberhütte« soll vor allem als Fortbildungsstätte junger Architekten dienen.

Haiku-Tee mit Bild des Haiku-Dichters Shiki, Matsuyama

Der Dichter und Essayist Masaoka Shiki (1867-1902) gilt als der Begründer der modernen Haiku- und Tanka-Dichtung und wird neben Buson, Issa und Basho zu den vier großen Haiku-Meistern gezählt. Sein Wirken hat dazu beigetragen, dass Matsuyama heute das Zentrum der Haiku-Dichtung ist.

Flugblatt, Taga-Schrein, Uwajima

Der Taga-Schrein n Uwajima ist der Sexualität und der Fruchtbarkeit gewidmet. Ein riesiger Holzphallus dominiert das Schreingelände. Im angrenzenden Museum sind auf drei Stockwerken tausende erigierte Penisse in allen Größen und aus allen erdenklichen Materialien sowie aus allen Kulturkreisen zu sehen, daneben Darstellungen kopulierender Paare, etwa aus der Zeit der Französischen Revolution oder aus Indien. Eine ganze Wand ist Bildern vorbehalten, die Frauen beim Sex mit Katzen, Elefanten, Hunden, Eseln, Wölfen und Kraken zeigen. Besonders apart und reizend sind Sexdarstellungen auf winzig kleinen Teetässchen.

Flugblatt aus Hiroshima, gestempelt

6. August 1945: Acht Uhr fünfzehn Minuten und siebzehn Sekunden registriert die Borduhr des US-amerikanischen B-29-Bombers, als Oberst Tibbets in einer Höhe von 9350 Metern den Befehl zum Ausklinken der Atombombe erteilt. Mit einer Sprengkraft, die der von 13.500 Tonnen des herkömmlichen TNT entspricht, explodiert sie kurz darauf sechshundert Meter über Hiroshima.
»Ein so grausiges, sich der Beschreibung entziehendes Ereignis wie ›Hiroshima‹ ist kein Gegenstand, den ein einzelner, selbst wenn der Zeuge dessen war, bewältigen könnte«, schrieb der japanische Schriftsteller Masuji Ibuse im Vorwort zu einer Anthologie kürzerer Prosaarbeiten über den 6. August 1945. Ibuses eindringlicher Roman Kuroi Ame (Schwarzer Regen) über ›Hiroshima‹ erschien 1966. Ibuse lässt aus tatsächlich vorhandenen Tagebüchern von Opfern der Atombombe ein unsentimentales und daher ergreifendes Bild der Zerstörung entstehen.

Uta Baatz & Jürgen Schneider, Kimono (Ausstellungsansicht. Foto: Barbara Chiodi)
Uta Baatz & Jürgen Schneider, Kimono (Ausstellungsansicht. Foto: Barbara Chiodi)

Read text by Yuko Otomo: In His View: Japan Diary by Jürgen Schneider